Russische Uhren
Marine-Chronometer - Leben des „6 MX“
Die ersten 6 MX aus rein russischer Produktion stammen aus dem 1. Quartal 1952. Und bei einem meiner Besuche bei Poljot in Moskau, im August 1997, wurde mir gesagt, dass die Produktion eingestellt worden sei, da es keinen Bedarf mehr gebe und noch größere Bestände vorhanden seien. Und mit Bedauern wurde mir gegenüber die Befürchtung geäußert, dass diese Einstellung wohl endgültig sei, weil die fachliche und technische Kompetenz nach und nach unwiederbringlich verloren gehe.
Damit bleibt die Gerhard D. Wempe KG die einzige Manufaktur, die von den Anfängen im Jahr 1942 bis heute (2017) das von ihr entwickelte 3-Pfeiler-Werk baut. Und Wempe plant, dieses Chronometer für Hochsee-Jachten mit gleicher Technik aber in einem neuen Design weiter zu bauen.
Über die Frage, wieviel der 6 MX die Fabrik in Moskau verlassen haben, ist in der Literatur gelegentlich spekuliert worden. So schreibt Hans-Jürgen Grandmontage in: „Wieviel >Lange< steckt drin?“, (Klassik-Uhren 4/97):
„Da unter der Bezeichnung „Kirow“ und „Poljot“ jeweils Nummern weit über 20.000 auftauchen, könnte eine Produktion von an die 50.000 solcher Uhren angenommen werden. ... Relativiert man diese Zahl allerdings auf rund 45 Produktionsjahre, dann erhält man gut 1.000 pro Jahr oder drei am Tag. ... Im übrigen bezweifeln Experten solch hohe Produktionszahlen, wie sie sich aus den Nummernschlüsseln ergeben.“
Es gibt keine zugänglichen Unterlagen über die tatsächlichen Zahlen. Für eine plausible Erklärung können aber die Planzahlen des Oberkommandos der Marine herangezogen werden:
In dem Rundschreiben 10/42 des „Arbeitsausschuss Seechronometer und B-Uhren“ vom 31. August 1942 wurde für die Jahre ab 1943 ein Ausstoß von 600 Marine-Chronometern pro Jahr gefordert. Zwei Monate später hieß es bereits, dass die Anforderungen seit der letzten Sitzung um 100% gestiegen sind. Und aus den Unterlagen von Wempe und Lange geht hervor, dass in den Kriegsjahren tatsächlich mehr als 1.000 Chronometer pro Jahr geliefert wurden.
Bedenkt man,
- dass die russische Marine in den Zeiten der Kalten Krieges größer war als die deutsche Marine zur Zeit des Zweiten Weltkrieges,
- dass die russische Handelsflotte auch einen hohen Bedarf an Chronometern gehabt hat, und
- dass die Sowjetunion auch die militärischen und zivilen Schiffseinheiten von Warschauer-Pakt-Staaten mit Chronometern versorgt hat,
dann kann für den Produktions-Zeitraum des 6 MX, nämlich 1952 bis 1997, durchaus von einer Gesamt-Produktion von 50.000 russischen Chronometern ausgegangen werden.
Zum Lieferumfang des 6 MX gehören:
- das Chronometer mit dem dazu ausgestellten „Attestat“ / „Pasport“ und der Betriebsanleitung
- ein innerer Gehäusekasten
- ein Überkasten mit ledernem Tragegurt für den Transport
- ein rotes Schutztuch.
(12) „Poljot_20027, komplett“ |
Varianten
Die Meisten der russischen Chronometer war nach „Moskauer Zeit“ reguliert – sie folgten also der „Sonnen-Zeit“.
Es gibt jedoch Ausnahmen, wie das 6 MX mit der Serien-Nummer: „N-24020“. Es hat noch das „Kirow-Zifferblatt“ aber schon die Werks-Signatur von „Poljot“. Das Chronometer ist mit E-Kontakten ausgerüstet und auf „Stern-Zeit“ reguliert – äußerlich erkennbar an dem fünf-zackigen Stern unter dem Sekundenzeiger.
In einer Abhandlung für Freunde der der Russischen Uhren ist es nicht erforderlich, eine wissenschaftliche Definition von „Sonnen-Zeit“ und „Stern-Zeit“ zu liefern. Deswegen auch nur ein paar Sätze zum „Hausgebrauch“:
Die „Sonnen-Zeit“ bezieht sich auf die scheinbare Umdrehung der Sonne um die Erde. Der Sonnen-Tag hat die uns geläufigen 24 Stunden.
Die „Stern-Zeit“ bezieht sich auf die Umdrehung des Sternenhimmels um die Erde. Da die Erde sich in einem Jahr einmal um die Sonne dreht, ist das Sternen-Jahr (gerundet) einen Tag kürzer als das Sonnen-Jahr.
Der Sternen-Tag dauert – gemessen am Sonnen-Tag – 23 Stunden, 56 Minuten und 4,091 Sekunden.
Laienhaft ausgedrückt geht ein Chronometer, das auf „Stern-Zeit“ reguliert ist, am Tag um etwa 3 Minuten und 56 Sekunden vor
Im Laufe der Jahre sind verschiedene Varianten des 6 MX gebaut worden.
Es gab zwei Standard-Ausführungen: Eine mit Feder-Hemmung für die Marine und eine mit Anker-Hemmung für die Luftwaffe. Auf letztere gehe ich in dem Kapitel: „Flugzeuge und Uhren“ ein.
Beide Varianten gab es mit und ohne Elektro-Kontakte. Die E-Kontakte für die 6 MX sind offensichtlich eine Konstruktion des „НИИ ЧАСПРОМ“, denn sie unterscheiden sich wesentlich von denen der Wempe-Chronometer, wie ein Vergleich E-Kontakten des „Wempe-Anker_2975“ mit dem „Kirow_247“ zeigt:
(14) „E-Kontakte“ |
In der ersten Hälfte der 1960er Jahre hat das „НИИ ЧАСПРОМ“ – ähnlich wie andere Chronometermacher weltweit – versucht, aus dem rein mechanischen „6 MX“ ein elektro-mechanisches Chronometer zu bauen. Die Arbeiten an diesem Chronometer, das die Bezeichnung „9 MX“ erhielt, sind aber nicht über das Experimentier-Stadium mit wenigen Prototypen hinausgekommen. Es ist in einem Faltblatt von Poljot beschrieben:
(15) „9 MX“ |
Mark Gordon zeigt auf seiner Homepage ein „9 MX“ mit vielen Detailbildern (www.ussrtime.com, Nr. 1441)
Das „НИИ ЧАСПРОМ“ hat auch an einem „Stimmgabel-Chronometer“ (tuning fork) experimentiert. Ob es davon Prototypen gibt, ist mir nicht bekannt.
Und Ende der 1980er Jahre hatte das „НИИ ЧАСПРОМ“ die ersten russischen Quarz-Chronometer einsatzbereit.
In einer Abhandlung von V.A. Sholyanskii und B.M. Chernyagin zu den russischen Forschungsarbeiten heißt es:
„The NII Chasprom (Scientific Research Institute of the Watch-Making Industry) has developed, with the participation oft he authors of this article, transitorized balance, tuning fork, and quarz-crystal chronometrs whose production has either been started or is in the course of preparation.“
Darauf bin ich im Vorspann zu: „Marine-Chronometer 1945 bis 2000“ eingegangen.
Das „НИИ ЧАСПРОМ“
Die Experten in Moskau konnten für ihren Start in die Chronometer-Produktion auf die 600 Rohwerken aus Lauenstein, die 297 Einheits-Chronometern aus den Reparationsleistungen von Lange, den Zeichnungssatz aus Glashütte und auf einen Stab von ehemaligen Kriegsgefangenen zurückgreifen, die bei Wempe an dem 3-Pfeiler-Werk gearbeitet haben.
Das alleine reichte aber nicht, um das 6 MX zu bauen. Es waren die Experten des „Wissenschaftlichen Forschungsinstituts für die Uhren-Industrie“,
des „НИИ ЧАСПРОМ“ (НАУЧНОИССЛЕДОВАТЕЛЬСКИМИНСТИТУТОМЧАСОВОЙПРОМЫШЛЕННОСТИ),
die aus den Wempe-Plänen neue Pläne für das 6 MX gemacht haben.
Und in einem 2-seitigen Manuskript aus der 1. Moskauer Uhrenfabrik / Poljot geht auch hervor, wer die beiden „Konstrukteure des 6 MX“ waren – nämlich:
Schapiro Leonid Salamonowitsch und Sarin Bruno Karlowitsch.
(16) „6 MX - Erfinder“ |
Ferner heißt es dort:
Hersteller des Chronometers war die „Staatliche Vereinigung der 1. Moskauer Uhrenfabrik, benannt nach Kirow“.
Dieses Werk wurde vom Ministerium der Verteidigung der Russischen Föderation im Rahmen der Aufgaben des 5-Jahr-Planes gegründet. Seinen Namen hat es mit Gründung der Fabrik im Jahr 1949 erhalten.
Auftraggeber und Abnehmer des 6 MX waren die Hauptverwaltung für Navigation und Ozeanologie des Ministeriums der Verteidigung der Russischen Föderation. Das Ministerium hat eine Produktion von 100 Stück des 6 MX pro Jahr festgelegt.
Ob es sich 1949 bei der Festlegung tatsächlich um „100 Stück“ handelte oder ob es dabei um einen Druckfehler handelt und „1.000 Stück“ gemeint waren, kann ich nicht beurteilen.
In einem weiteren Dokument aus der 1. Moskauer Uhrenfabrik / Poljot ist zu lesen, dass die russischen Chronometermacher im Jahr 1949 die ersten 6 MX gebaut haben. Dabei muss es sich um die Vollendung der Rohwerke aus Lauenstein handeln, denn den russischen „Eigenbau“ gab es erst ab Anfang 1952.
(17) „6 MX“ |
Die Frage, wer maßgeblich an der Entwicklung des 6 MX beteiligt war, lässt sich auch anhand der „Attestate“ für die frühen Chronometer beantworten:
Es war das „НИИ ЧАСПРОМ“ – und nicht die 1. Moskauer Uhrenfabrik – das diese Attestate mit einem eigen Dienstsiegel und der Unterschrift des Institutsdirektors beglaubigt hat.
(18) „NII-Dienstsiegel“ |
Die mir vorliegenden „Attestate“ für die frühen „Kirows“ mit den Serien-Nummern: “308“, „707“ und „1564“ zeigen auf den Titelseiten eindeutig, dass das „НИИ ЧАСПРОМ“ die Federführung hatte.
So heißt es im Juni 1953 in dem Attestat für das „Kirow_308“:
„Ausgestellt vom Staatlichen Wissenschaftlichen Forschungsinstituts für die Uhren-Industrie „НИИ ЧАСПРОМ“ des Ministeriums für Maschinenbau der UdSSR“
Und dann weiter:
„Das Chronometer wurde täglich verglichen mit der genauen Uhrzeit der Radio-Funksignale der Radiosender: Moskau, Perbi und Pontuas. Es hat den Test bestanden gemäß der TU (Technische Arbeitsanleitung) für See-Chronometer der 1. Klasse mit weiteren Qualitätsindikationen.“
Und im September 1955 für das „Kirow_1564“ ist der Text nur geringfügig anders:
„Ausgestellt vom Staatlichen Wissenschaftlichen Forschungsinstituts für die Uhren-Industrie (НИИ ЧАСПРОМ) des Ministeriums für Maschinen- und Instrumentenbau der UdSSR“
Unterscheidungs-Kriterien
In einem direkten Vergleich zwischen einem 3-Pfeiler-Werke von Wempe und dem 6 MX sind die Veränderungen, die das „НИИ ЧАСПРОМ“ vorgenommen hat, deutlich zu erkennen. Dazu habe ich die Aufsicht und die Ansicht unter dem Zifferblatt vom „Kirow_N-247“ und „Wempe_4020“ sowie die Ansicht von Gangfeder, Gangfeder-Kloben und unterem Unruh-Kloben des „Kirow_N-247“ und des „Wempe_3955“ gegenübergestellt.
Ich habe die Stellen, wo man die Veränderungen durch die Experten vom „НИИ ЧАСПРОМ“ deutliche erkennen kann, mit einem Pfeil markiert.
Auf den Vergleichsbildern ist nicht sehr deutlich zu erkennen, dass beim russische 6 MX das Sekunden-Rad und das Zwischen-Rad in der oberen Platine in Steinlagern, die in Chatons gefasst sind, gelagert sind. Beim deutschen DEC waren es Messinglager.
Eine Besonderheit, deren Sinn sich nicht erschließt, ist die markierte Einfräsung im Werkhaltering und deren Positionierung.
Die beim DEC markierte Einfräsung, die in einer anderen Position liegt, ist dazu da, die innere Mechanik für das externe Zeigerstell-System aufzunehmen. Ein solches System gab es beim 6 MX jedoch nicht. Diese Einfräsung beim 6 MX gab es auch nur bis in die zweite Hälfte der 1950er Jahre.
Die ältesten 6 MX aus meiner Sammlung sind das „Kirow_N-009“ aus dem 1. Quartal 1952 (1-52), das „Kirow_N-247“ aus 2-52 und das „Kirow_N-1564“ aus 1-55. Das „009“ und das „247“ sind mit E-Kontakten ausgerüstet, das „1564“ hat keine E-Kontakte.
Abgesehen davon sind die drei Chronometer baugleich und typisch für die erste Generation des 6 MX mit den russischen Modifikationen, wie ich sie anhand der drei obigen Bilder aufgezeigt habe
Bei diesen drei Chronometern erkennt man ferner die aufwändige Oberflächen-Veredelung. Das gilt insbesondere für die Veredelung der Schrauben und für den Zierschliff.
Der Zierschliff mit Genfer Streifen befindet sich bei den frühen Chronometern auf den Oberseiten der Federhaus-Brücke und des oberen Unruh-Kloben sowie auf beiden Seiten der oberen und unteren Platine. Er verläuft in Richtung: „10:30“ > „04:30“.
Bein Einheits-Chronometer wurde von 1942 bis 1945 schrittweise aus Kosten- und aus Zeitgründen die Veredlung der Oberfläche zurückgefahren.
Die russischen Macher hatten in der Anfangsphase der neuen Marine-Chronometer noch Muße und Zeit für das Schöne. Und für das Militär gab es in dieser Zeit keine Kostenbeschränkungen.
Ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre wurden Veränderungen am 6 MX vorgenommen.
- Der Zierschliff mit den Genfer Streifen änderte seine Richtung: von: „10:30“ > „04:30“ nach: „12:00“ > „06:00“. Und er wurde reduziert auf die Bereiche, die man sehen konnte, wenn das Werk aus dem Gehäusetopf genommen wurde, nämlich: den Oberseiten der oberen Platine, der Federhaus-Brücke und des oberen Unruh-Kloben.
- Schaulöcher kamen hinzu (obere Platine) bzw. wurden vergrößert (untere Platine). Die beiden abgebildeten Chronometer, das „Kirow_247“ und das „Kirow_24020“ haben E-Kontakte. Bei den kleinen Schauloch in der unteren Platine (247) ist- im Unterschied zum großen Schauloch (24020) - die Basiskonstruktion für den E-Kontakt kaum zu sehen.
- Die oben bereits angesprochene Einfräsung am Werkhaltering entfiel.
Signaturen und Normen
Veränderungen gab es auch bei den Signaturen der 1. Staatlichen Uhrenfabrik / Poljot.
Nach der „Raute“ kam das „Pentagon“ und dann die stilisierte „Rakete“ von Poljot.
Eine genaue zeitliche Zuordnung dieser drei Signaturen ist mir nicht möglich, da ich keine schriftlichen Unterlagen dazu habe und die Stückzahl der mir vorliegenden Chronometer dazu viel zu klein ist.
(23) „Logo“ |
Der oben beschriebene Lieferumfang und die Ausstattung für die 6 MX sind in der Form über die Jahre unverändert geblieben. Verändert wurden aber die Plaketten auf der Vorderseite des inneren Gehäusekastens.
In der Anfangszeit hatten die Kästen je eine Plakette für die Signatur in der Raute und für die Serien-Nummer. Bereits das „Kirow_2973“ aus 1-58 hatte nur noch die Raute.
Im Jahr 1958 erhielten die Chronometer neu gestaltete Plaketten. Diese geben einen Anhalt für das Herstellungsjahr und auch über die wechselnden Industrie-Normen, „ГОСТ“ / „ТУ“, für das Chronometer.
1 Kirow 247 | 2 Kirow 2973 | 3 Kirow 23239 Gost 8916 58 |
4 KirPol 24020 Gost 8916 70 | 5 Poljot 00127 Gost 8916 77 | 6 Poljot 09218 TU 25 07 1533 84 |
Nicht immer sind die Angaben auf dem Gehäusekasten, dem Zifferblatt und dem Uhrwerk stimmig. Das mag daran liegen, dass die einzelnen Komponenten getrennt in großen Stückzahlen gebaut wurden und auch noch eingesetzt wurden, wenn sie nicht mehr zeitgemäß waren.
Wie in allen Industriestaaten gibt es - in Deutschland die „DIN“, Deutsche Industrie-Norm - auch in der Sowjetunion Normen einen für die gesamte Sowjetunion verbindlichen Staatlichen Standard, die „ГОСТ“(ГОСУДАРСТВЕННЫЙСТАНДАРТ) nach denen gearbeitet wurde.
Für das 6 MX war es von 1958 bis 1984 die „ГОСТ 8916“ und dann eine zweistellige Jahreszahl, wie auf den oben abgebildeten Typenschildern zu sehen.
Mir liegt keine dieser Normen vor. Daher ist es mir auch nicht möglich, die Modifikationen zwischen der „ГОСТ 8916“ von 1958 und denen von 1970 und 1977 sowie zur „ТУ25-07. 1533 – 84“ aufzuzeigen. Ich habe lediglich die weiter oben gezeigten Vergleiche bei den Platinen als Anhaltspunkte.
1984 gab es eine neue Industrie-Norm für das Marine-Chronometer 6 MX, nämlich die Technische Arbeitsanleitung (ТЕХНИЧЕСКИЕУСЛОВИЯ)
„ТУ25-07. 1533 – 84“.
Den Wortlaut des Dokumentes finden sie im dritten Teil zu diesem Unter-Kapitel: Bilder und Dokumente
Doppel-Chronometer
Mitte der 1960er Jahren hat die „VEG Glashütter Uhrenbetriebe (GUB)“ Doppel-Chronometer gebaut. Das waren zwei Chronometer, die mit einer Halb-Kardanik in einem Gehäusekasten gelagert waren.
Anfang der 1990er Jahre habe ich bei meinem väterlichen Freund, Prof. Dr. Herbert Dittrich, erstmals ein russisches Doppel-Chronometer gesehen. Ein hoher russischer Offizier hatte es ihm zum Kauf angeboten.
Zehn Jahre später hatte ich dann das Doppel-Chronometer mit den beiden „Kirow_91“ und „Kirow_92“.
Das „Kirow_91“ ist auf „Stern-Zeit“ und das „Kirow_92“ auf „Moskauer Zeit“ reguliert. Beide Werke haben ein 24-Stunden-Zifferblatt mit einer Leuchtmasse als Beschichtung.
Detailaufnahmen der beiden Kirows zeige ich in dem Anhang: Meine 6 MX-Sammlung
Ein befreundeter Sammler von Chronometern hat mir Bilder von zwei weiteren russischen Chronometern zur Verfügung gestellt.
Es ist ein 6 MX ohne erkennbare Serien-Nummer, das angeblich an die Chinesische Marine geliefert wurde.
(26) „6MX for China“ |
Die Sinnhaftigkeit eines Marine-Chronometers mit einem Regulator-Zifferblatt und einer Indikation für die Wochentage kann ich nicht erkennen.
Eingangs zu diesem Kapitel habe ich darauf hingewiesen, dass die Gerhard D. Wempe KG plant, das von ihr entwickelte 3-Pfeiler-Werk für Liebhaber mit Hochseejachten in einem neuen Design zu bauen. Könnte sein, dass die Macher dieses Chronometers mit Regulator-Zifferblatt den gleichen Zweck verfolgten.
Ich habe jedoch große Zweifel, dass das „НИИ ЧАСПРОМ“ daran mitgearbeitet hat.
(27) „6MX-622_Regulator-ZBl“ |
Fälschungen
Bevor ich zu zwei ganz besonderen Marine-Chronometern komme, die nicht auf der Basis des DEC / 6 MX beruhen, gehe ich kurz auf ein Kapitel ein, dass für jeden Sammler und Liebhaber russischer und anderer Chronometer von international anerkannter Qualität ein Ärgernis ist nämlich: Original und Fälschung.
Besonders häufig wird der untaugliche Versuch unternommen, ein „Poljot“ in das Gewand eines „ALS“ zu stecken.
Aber dass auch ein „R.W. Cousens & Son“ über den Tony Mercer u.a. schreibt: „Bankrupt in 1890“, dafür herhalten muss, ist schon mehr als frech. Das „Cousens_23679“ befindet sich in meiner Sammlung. Das Poljot-Werk hat die dieselbe Serien-Nummer „23679“. Ich beschränke mich hier darauf, nur das „Cousens-Zifferblatt“, an dem nichts stimmt, unter dem aber das Poljot-Werk tickt, zu zeigen.
(28) „Cousens-ZBl“ |
Die Grenze zwischen einer Fälschung und einer „künstlerischen Bearbeitung“, wie ich sie wohlwollend nenne, ist für mich nicht immer eindeutig festzulegen.
So würde ich beispielsweise das weiter oben abgebildete Chronometer mit dem Regulator-Zifferblatt in die Rubrik „künstlerischen Bearbeitung“ einordnen.
Anders verhält es sich - neben dem „Cousens“ - mit der nicht einmal gut gemachten Fälschung des vermeintlichen „ALS_5643“.
Ich habe dieses 3-Pfeiler-Werk mit der Zifferblatt-Signatur von - oder genauer: ähnlich wie - A. Lange & Söhne in: J.Altmeppen/H. Dittrich: Das Deutsche Einheits-Chronometer in dem Kapitel: „Original und Fälschung“ beschrieben. Es ist eine der vielen Fälschungen, die am Markt angeboten werden.
Alle Kriterien, an denen man erkennen kann, ob es sich bei einem 3-Pfeiler-Werk um die Konstruktion von Gerhard D. Wempe oder um die des „НИИ ЧАСПРОМ“ handelt, habe ich bereits in diesem Kapitel benannt und bebildert.
Die Fälschungen, die ich bisher gesehen habe, bei denen versucht wurde, aus einem „Poljot“ ein „A. Lange & Söhne“ zu machen, hatten zwar eine Serien-Nummer die zwischen 5000 und 5870 liegt – also eine Nummer, die dem Einheits-Chronometer zuzuordnen ist.
Aber schon der erste Blick auf das Zifferblatt zeigt, dass die Schrifttypen für Buchstaben und Zahlen i.d.R. nicht mit dem Original aus Glashütte übereinstimmen.
Ich gehe auf nur sechs Kriterien ein, die dieses „ALS_5643“ als fake entlarven und die jeder Sammler ohne Lupe erkennen kann:
- Die Verschraubung des Zifferblattes
- Die Position des „Pfeiler 39“
- Der unten liegende Deckel des Federhauses
- Die Chatons gefassten Steinlager für das Sekunden- und das Zwischen-Rad
- Die fehlenden Fräsungen und Bohrungen für das externe Zeigerstell-System
- Der Gangfeder-Kloben, der im vorliegende Beispiel auf brutale Weise verstümmelt wurde, um ihm durch Wegfeilen der Stellschraube ein deutsches Aussehen zu geben.