Russische Uhren
3. Die 24 Stunden des Tages und ihre Zählung
Und in der Zeit von 1400 bis 1700 gab es in Russland drei verschiedene Arten, die Stunden des Tages zu zählen:
- die „Temporalen Stunden“ der Lazar-Uhr von 1404 am Kreml-Palast des Wassilij I.,
- die Zählweise nach dem Vorbild der „Nürnberger Uhr“ mit der Halloway-Uhr von 1621 am Spasskij-Turm der Kreml-Mauer
- und die heutige Zeitzählung mit der Aufteilung des Tages in zwei Mal 12 Stunden seit Peter I.
Die Einteilung des Tages in zwei Mal zwölf gleich lange Stunden mit dem Tagesbeginn um Mitternacht und die globale Einteilung Zeitzonen ist heute Allgemeingut.
Im ausgehenden Mittelalter und der beginnenden Neuzeit war der Kalendertag normalerweise in die Stunden des lichten Tages und die der dunklen Nacht eingeteilt. Die Zählweise und die Aufteilung des Kalendertages in die Zeiten zwischen Sonnen-Aufgang und Sonnen-Untergang (Tag) und dann wieder bis Sonnen-Aufgang (Nacht) war jedoch unterschiedlich.
Die Länge des lichten Tages wird bestimmt von der geographischen Breite des Ortes und der jeweiligen Jahreszeit.
Die Extreme finden wir in den Polarregionen ab 66,5 Grad nördlicher bzw. südlicher Breite, wo die Sonne zur Sommer-Sonnenwende nicht unter geht und zur Winter-Sonnenwende nicht auf geht.
Beispiele | SA | SU | Sonnenstunden |
Jalta | 04:59 | 20:32 | 15 Std. 33 Min |
Moskau | 04:44 | 22:19 | 17 Std. 35 Min |
St. Petersburg | 04:35 | 23:27 | 18 Std. 52 Min |
Murmansk | - | - | Polartag 24 Std. |
Venedig | 05:22 | 21:03 | 15 Std. 41 Min |
Turin | 05:42 | 21:21 | 15 Std. 39 Min |
Rom | 05:37 | 20:49 | 15 Std. 12 Min |
Flensburg | 04:44 | 22:04 | 17 Std. 20 Min |
Garmisch-Partenkirchen | 05:19 | 21:17 | 15 Std. 58 Min |
(Sonnenaufgang, SA, und Sonnenuntergang, SU, zur Sommer-Sonnenwende, 21. Juni 2008, jeweils Ortszeit)
Von den in der Literatur beschrieben Stunden-Zählungen soll nur auf vier kurz eingegangen werden:
3.1. Temporale Stunden
Als „Temporale Stunden“ wird die Einteilung des Kalendertages in 24 Stunden bezeichnet, bei der der lichte Tag, also die Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, und die Nacht, also die Zeit zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, in jeweils 12 Stunden geteilt wird. Durch die unterschiedliche Länge von Tag und Nacht im Verlaufe des Jahres verändern sich auch die Stundenlängen kontinuierlich: „horae inequales“ (auch: „ungleiche Stunden“ oder „Römische Stunden“).
Beispiel: In Rom geht die Sonne zur Sommer-Sonnenwende um 05:37 Uhr heutiger Zeitrechnung auf. Sonnenuntergang ist um 20:49 Uhr. Die 15 Stunden und 12 Minuten des lichten Tages und die 8 Sunden und 48 Minuten der Nacht sind in jeweils 12 horae inequales einzuteilen.
Zur Messung der Temporalen Stunden musste die Hemmung der Uhren täglich zwei Mal umgestellt werden: Bei Sonnenaufgang auf die Länge der Tag-Stunden und bei Sonnenuntergang auf die Länge der Nacht-Stunden. Und sie wurden wöchentlich angepasst an unterschiedlichen Längen von Tag und Nacht. Diese Umstellungen waren bei den damals üblichen Waag-Uhren relativ einfach: Die Waag hatte 26 Einstellmöglichkeiten – je eine für die 26 Wochen zwischen Sonnenwende und Tag-Nacht-Gleiche. Zur Sommer-Sonnenwende, wenn die 12 Tag-Stunden etwa doppelt so lang sind wie die 12 Nacht-Stunden, hat der Glöckner die Gewichte der Waag bei Sonnenaufgang in die äußersten Kerben gehängt und bei Sonnenuntergang in die innersten. Zur Tag-Nacht-Gleichen wurde die Uhr am Tag wie in der Nacht mit der mittleren Gewichtsstellung betrieben.
Temporale Stunden sind heute noch in Klöstern des Christentums und in Religionsgesetzen des Islam und der Juden – beispielsweise für Zeiten des Gebetes – üblich.
3.2. Italienische Stunden
Als „Italienische Stunden“ (auch: „Große Uhr“ oder „Böhmische Stunden“) wird die Einteilung des Kalendertages in 24 gleich lange Stunden (horae equales), die fortlaufend gezählt werden, bezeichnet. Der Tag beginnt zu jeder Jahreszeit bei Sonnenuntergang mit „Null Uhr“ und endet, ebenfalls bei Sonnenuntergang, mit „24 Uhr“.
Der Vorteil der Italienischen Stunden lag darin, dass man an der Zeigerstellung der Uhr ablesen konnte, wie viele Stunden noch mit Tageslicht, also bis Sonnenuntergang um 24 Uhr, zur Verfügung standen.
Da die Länge des lichten Tages sich im Verlaufe des Jahres verändert, musste die Zeigerstellung der Uhr kontinuierlich an den Sonnenuntergang um Null Uhr angepasst werden.
Die Italienischen Stunden wurden im 14. Jahrhundert, zuerst in Nord-Italien, eingeführt. Bald war dieses System in Italien weit verbreitet. Es wurde bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts genutzt. In Polen und Böhmen wurde diese Stundenzählung bis in das 17. Jahrhundert verwendet.
3.3. Babylonische Stunde
Auch bei der „Babylonischen Stunde“ wird der Kalendertag in 24 gleich lange Stunden (horae equales), die fortlaufend gezählt werden, eingeteilt. Im Unterschied zur „Italienischen Stunde“ beginnt der Tag jedoch zu jeder Jahreszeit bei Sonnenaufgang mit „Null Uhr“ und endet, ebenfalls bei Sonnenaufgang, mit „24 Uhr“.
Analog zur „Italienischen Stunde“ musste die Zeigerstellung der Uhr kontinuierlich an den Sonnenaufgang um Null Uhr angepasst werden.
3.4. Nürnberger Uhr
Die Nürnberger Uhr (Große Uhr) wurde 1388 eingeführt und bis 1811 in Gebrauch. Sie galt in Nürnberg und einigen benachbarten Städten. Sie teilte den Tag in 24 gleich lange Stunden ein, wobei die Stunden des lichten Tages und der Nacht getrennt gezählt wurden.
Tagesbeginn war bei Sonnenaufgang: Null Uhr Tagstunden.
Nachtbeginn war bei Sonnenuntergang: Null Uhr Nachtstunden.
Zur Sommer-Sonnenwende, vom 4. Juni bis zum 26 Juni, begann die Zählung der Tagstunden um 4 Uhr heutiger Zeit. Der Tag hatte 16 Stunden. Mittag war um 8 Uhr Nürnberger Tages-Zeit, was 12 Uhr heutiger Zeit entspricht. Die Nachtstunden begannen um 20 Uhr heutiger Zeit. Die Nacht hatte 8 Stunden. Mitternacht war um 4 Uhr Nürnberger Nacht-Zeit.
Zur Winter-Sonnenwende hatte der Tag 8 Stunden und die Nacht 16 Stunden.
Zur Tag-und-Nacht-Gleiche in Frühjahr und im Herbst gab es je 12 Tag-Stunden und 12 Nacht-Stunden.
Die Tage, an denen die Uhr umgestellt werden musste, waren in Kalendern verzeichnet.
(Seit 1436 war in Nürnberg auch die „Kleine Uhr“ oder „Halbe Uhr“ in Gebrauch. Sie schlug zwei Mal 12 Stunden.)