Russische Uhren
Unterplatte (G1)
Bei der TYP 1 handelt es sich um ein Uhrwerk für eine Taschenuhr. Dabei hat die Unterplatte ("pillar plate") zwei Aufgaben:
- Sie ist einmal der Träger für alle Baugruppen der Uhr und
- sie hat von der Konstruktion her auch die Halterung des Werkes in dem Uhrengehäuse.
Dafür hat die Unterplatte im unteren Teil (auf der Seite des Zifferblatts) einen ringförmig umlaufenden vorstehenden Rand mit einem um 1,8 mm größeren Durchmesser als der obere Teil der Unterplatte ("back plate"). Dieser Zifferblatt-Rand, der insbesondere auf den Bildern 2 sowie 60 und 61 deutlich erkennbar ist, liegt auf der "Werkauflage" des Gehäuses auf und wird werkseitig mit zwei Schrauben gehalten.
Die Vorläufern der TYP 1 aus Ohio hatten ferner einen Zifferblatt-Rand ("dial edge"), der auf den Bildern 56 und 66 gut erkennbar ist.
"Dial Edge" ist der überstehende Rand einer Einfräsung auf der Zifferblatt-Seite der Unterplatte, die vom Durchmesser und von der Tiefe so ist, dass das Zifferblatt bündig in der Unterplatte liegt.
In Russland gab es diese "dial edge" nur bei ganz frühen Werken aus der 1. Staatlichen Uhrenfabrik - wobei es sich wahrscheinlich um Unterplatten handelt, die noch aus Ohio stammen. Alle anderen TYP 1-Werke aus russischer Produktion sind auf der Zifferblatt-Seite plan geschliffen. Das Zifferblatt liegt also auf der Platte und nicht in ihr.
Der Durchmesser der Unterplatte, einschließlich des ringförmig umlaufenden vorstehenden Randes, ist maßgeblich für das Kaliber der Uhr.
Bei der "Elterngeneration" von Dueber Hampden für die Typ 1 handelt es sich um ein 16-Size-Werk. Das entspricht 19‴ (Linien) bzw. 42,86 mm.
Soweit die Norm. Die von mir gemessenen Werte 16-Size-Werke von Dueber-Hampden liegen zwischen 42,9 und 43,1 mm.
Die Unterplatte der russischen TYP 1 geben mehrere Auskünfte über die herstellende Fabrik und den Produktionszeitraum der Uhr.
1. Staatliche Uhrenfabrik (G1)
Ausgangslage der Unterplatten für die "КИРОВКА" ist die frühe TYP 1 mit Kupplungs-Aufzug aus der 1. Staatlichen Uhrenfabrik "1 ГЧЗ":
Bild 7, G1_1 |
Auf der Unterseite (Bild 7, G1_1) ist die Ausfräsung für die Winkelhebel-Feder deutlich zu erkennen. Die verschraubte Feder für den Kupplungshebel habe ich in der dafür vorgesehenen Einfräsung belassen. Ferner sind die Anker-Begrenzungsstifte, die ich nicht ausgebaut habe, und ein Stein für die Unruh in einem verschraubten Messing-Chaton zu sehen Es ist auf dem Bild nicht erkennbar, dass dieser Stein der Deckstein für die Unruh ist. Die je zwei Bohrungen rechts und links der Begrenzungsstifte - die inneren für die Zapfen, die äußeren als Gewindebohrung für die Schrauben - zeigen, dass das Werk eine Anker-Brücke hat.
In den ersten Jahren hatten auch die Unterplatten aus der 1. Staatlichen Uhrenfabrik die "dial edge", wie sie bei Dueber-Hampden üblich war. Aber ab Mitte der 1930er Jahre ist diese nicht mehr vorhanden. Das Zifferblatt lag ab dieser Zeit nicht mehr in sondern auf der 2,63 mm dicken Unterplatte.
Die Serien-Nummer mit vier Ziffern ist typisch für die 1. Staatliche.
Die Oberseite(Bild 8, G1_2) zeigt sechs kreisrunde Fräsungen. Sie sind, im Uhrzeigersinn, für: Federhaus, Kleinboden-Rad, Sekunden-Rad, Anker-Rad, Anker und Unruh. Hier sind der Lagerstein für die Unruh und die Anker-Begrenzungsstifte erkennbar. Ferner kann man auf diesem Bild erkennen, dass es sich um die Unterplatte für ein 7-steiniges Werk handelt, da die Bohrungen für Kleinboden-Rad, Sekunden-Rad, Anker-Rad und Anker nur die jeweiligen Zapfen aufnehmen können aber keine Lagersteine.
Bild 8, G1_2 |
Der umlaufende vorstehende Rand mit einem um 1,8 mm größeren Durchmesser als der obere Teil der Unterplatte ("back plate"), der dem Werk im Gehäuse Halt gibt, ist deutlich zu sehen.
2. Staatliche Uhrenfabrik (G1)
Bei der Unterplatte der 2. Staatlichen Uhrenfabrik "2ЧАС 3Д" ist auf der Unterseite (Bild 9, G1_3) zu erkennen, dass die Winkelhebel-Feder eine andere Form hat als bei der 1. Staatlichen. Bei allen TYP 1 aus der 2. Staatlichen ist der untere Lager-Stein für die Unruh in der Unterplatte - entweder mit Chaton, wie hier oder eingepresst. Der Deck-Stein ist in einem Plättchen, das in die Unterplatte eingelassen ist und über zwei Kerben abgehoben werden kann. Die Messing-Chatons mit den Lager-Steinen für Kleinboden-Rad, Sekunden-Rad, Anker-Rad und Anker zeigen dass es sich um ein 15-steiniges Werk handelt.
Bild 9, G1_3 |
Die je drei Bohrungen rechts von den Begrenzungsstiften - die äußeren für die Zapfen, die innere als Gewindebohrung für die Schrauben - zeigen, dass das Werk einen Anker-Kloben hat.
Eine "dial edge" hat es bei der 2. Staatlichen nicht gegeben. Das - im Vergleich zur ebenfalls 2,63 mm dicken Unterpatte - um 1,8 mm im Durchmesser kleinere Zifferblatt lag auf der Platte.
Die Serien-Nummer mit sechs Ziffern ist nur ein Indikator für die 2. Staatliche, denn die finden wir auch bei den Uhren aus Tschistopol.
Die Oberseite(Bild 10, G1_4) ist von den Fräsungen und Bohrungen her der 1. Staatlichen sehr ähnlich. Die im Vorabsatz beschriebenen typischen Kennungen sind auch hier zu sehen.
Bild 10; G1_4 |
Slatouster Uhrenfabrik (G1)
Die die Ausfräsung für die Winkelhebel-Feder auf der Unterseite (Bild 11, G1_5) der Unterplatte aus Slatoust "ЗЧЗ" zeigt die enge Verwandtschaft mit der 1. Staatlichen. Die Fräsung für das Plättchen mit dem Deck-Stein der Unruh ohne die beiden Kerben zu besseren Abheben sowie die ohne Chaton direkt eingepressten Lagersteine, die Bohrungen für einen Anker-Kloben und die Serien-Nummer mit vier Ziffern lassen eine eindeutige Zuordnung zu einer späten TYP 1 aus Slatoust zu.
Frühe - bis 1956 - Werke aus Slatoust hatten die Steine in Chatons gelagert und eine Anker-Brücke. Auch in Slatoust hat es keine "dial edge" gegeben.
Die Oberseite (Bild 12, G1_6) zeigt als Auffälligkeit, dass die Maschine zum Fräsen rationell grob eingestellt war. Die Feinheiten der frühen Zeit gibt es nicht mehr.
Bild 11, G1_5 | Bild 12, G1_6 |
Tschistopoler Uhrenfabrik (G1)
Die Platte aus Tschistopol "ЧЧЗ" , die nahezu baugleich ist mit der aus der 2. Staatlichen, zeigt auf ihrer Unterseite (Bild 13, G1_7) eine Besonderheit, die es nur dort und auch nur in der Anfangszeit gab: Die zweite Feder für das Aufzugs- und Zeigerstell-System. Die Bedeutung dieser Feder habe ich nicht erkennen können und mehrere frühe TYP 1 aus Tschistopol haben zwar die Einfräsung für diese Feder aber nicht mehr die Feder selbst.
Die Tschistopoler Oberseite (Bild 14, G1_8) zeigt keine erkennbaren Unterschiede zu der aus der 2. Staatlichen. Die großen Bohrungen im Zentrum der Kreise sind für die Aufnahme von Chatons für die Lagersteine.
Bild 13, G1_7 | Bild 14, G1_8 |
Die Unterplatte der "53er"-Werke unterscheidet sich nicht von der aus der 2. Staatlichen. Ich werde nicht näher darauf eingehen.