Russische Uhren
Geburt des „6 MX“
Zur Zarenzeit hat insbesondere Kullberg die Chronometermacher in Pulkowo mit Werken beliefert (s.: Unter-Kapitel: Zarenzeit). Zu Beginn der 1940er Jahre war es Ulysse-Nardin (s.: Unter-Kapitel: 1917 bis 1945). Aus der Nachkriegs-Produktion der 1. Moskauer Uhrenfabrik sind mir keine weiteren Lizenzbauten des Marine-Chronometers von Ulysse-Nardin bekannt.
Das russische Marine-Chronometer der Nachkriegs-Zeit, das 6 МХ, ist ein Nachbau des Deutschen Einheits-Chronometers, der sich jedoch in einigen Punkten vom Original unterscheidet.
Russland ist damit um 1950 - auf dem Stand einer der damals vorhandenen technischen Linien für Chronometer – in die eigene Produktion eingestiegen.
In der russischen Literatur wird die technische Entwicklung der Chronometer von Harrison bis etwa 1900 zwar beschrieben. Einen eigenen Anteil an der Entwicklung hatten die Russischen Chronometermacher aber nicht. Und über die Geschichte des 6 MX findet man in russischen Büchern auch nichts.
Auf einige Details wie die Bedeutung des „НИИ ЧАСПРОМ“ für den Aufbau der russischen Chronometer-Industrie werde ich näher eingehen.
In dem im Heel-Verlag erschienenen Buch: J.Altmeppen / H.Dittrich: „Das Deutsche Einheits-Chronometer“ bin ich ausführlich auf die Geschichte des Deutschen Einheits-Chronometers, seine technischen Details, den Weg dieses Chronometers nach Moskau und den russischen Nachbau eingegangen.
Im Folgenden beziehe ich mich mit der dankenswerten Genehmigung des Verlages in Teilbereichen darauf.
Bis weit in die 1930er Jahre beherrschten britische Chronometer den Markt in Europa. So wurde 1935 der deutsche Bedarf zu fast 80% mit englischen Chronometern gedeckt – von denen jedoch mehr als die Hälfte nicht mehr einsatzbereit war.
Kriegsbedingt forderte insbesondere die Luftwaffe 1940 ein möglichst unempfindliches Chronometer zu entwickeln. Dabei verbot sich eine bis dahin übliche Chronometer-Hemmung wegen der Erschütterungen und Vibrationen an Bord. Der Entwicklungsauftrag ging an das „Institut für Uhrentechnik und Feinmechanik der Hansestadt Hamburg“ (IfU).
Die militärische Führung forderte die Entwicklung eines Deutschen Chronometers mit ausschließlich deutschen Komponenten. A. Lange & Söhne und Gerhard D. Wempe habe dann ein solches Anker-Chronometer entwickelt.
Der Expertenstreit zwischen Befürwortern und Gegnern des Anker-Chronometers ging jedoch weiter und bereits Ende 1940 wurden dann die Anforderungen zugunsten eines Feder-Chronometers verändert.
Gerhard D. Wempe hat unverzüglich reagiert. Dazu heißt es in einem Aktenvermerk von Wempe vom März 1941: "Unsere Konstruktionen (für das Anker-Chronometer, d.Verf.) waren damals so gut wie abgeschlossen. Wir waren darauf gezwungen, die bisherige Konstruktion zu verwerfen und vollkommen neue Gesichtspunkte anzuwenden. Nach Versuchen mit der neuen Ankerhemmung … zeigte sich, dass diese Hemmung auch in einem Schnecken-Chronometer Verwendung finden konnte, so dass wir daraufhin ein kombiniertes Chronometer entwickelt haben, welches gleichzeitig als Anker- sowie als Schnecken-Chronometer Verwendung finden konnte.
Bei der jetzt durchgeführten Konstruktion sind sämtliche Hauptpunkte der ersten Konstruktion verwandt worden..."
Anmerkung: Die ersten Anker-Chronometer hatten ein feststehendes verzahnten Federhaus. „Schnecken-Chronometer“ steht für einen Antrieb mit Kette und Schnecke.
Die ersten Zeichnungen für die Neu-Konstruktion dieses Schnecken-Chronometers mit Feder-Hemmung stammen vom Februar 1941 (s.: Wempe: DEC-Zeichnungen).
Das Einheits-Chronometer sollte Ende 1941 einsatzbereit sein und in die Massenproduktion gehen. Die Produktion verzögerte sich jedoch.
Im Frühjahr 1942 startete Wempe mit der Serien-Nummer 2.800 in die Produktion des neuen Typs, Einheits-Chronometer mit drei Pfeilern. Durch die Bombardierung Hamburgs im Rahmen der „Operation Gomorrha“ im Juli 1943 sind viele Unterlagen von Wempe verbrannt. Das älteste Einheits-Chronometer, von dem die Original-Unterlagen noch erhalten sind, ist das „Wempe_2817“. Es wurde am 23. April 1942 fertiggestellt und am 27. Mai 1942 an die Deutsche Seewarte ausgeliefert. Lange & Söhne folgt am 28. Februar 1943 mit der Serien-Nummer „ALS_5008“.
Hier liegt die Geburtsstunde des Deutschen Einheits-Chronometers und damit des Russischen 6 MX.
Die „Gerhard D. Wempe – Abt. Chronometerwerke“ hat während des Krieges 2.023 Einheits-Chronometers (Serien-Nr.: 2800 bis 4822) gebaut. Nach dem Krieg waren es zusätzlich mehr als 4.450 Stück.
Die Serien-Nummern von ALS gehen von 5001 bis 5870. Sie beinhalten aber auch Nummern, die nicht vergeben wurden und die Nummern für Rohwerke.
Deutschland hat - bis zu den Reparationsleistungen von A. Lange & Söhne nach dem Krieg - keine Einheits-Chronometer an die Sowjetunion geliefert. Es ist aber davon auszugehen, dass einige dieser Chronometer den Russen als „Kriegsbeute“ in die Hände gefallen sind.
Dazu gehört offensichtlich auch das „Wempe_3955“. Ich habe es Mitte der 1990er Jahren auf dem Antikmarkt „Vernisage“ in Moskau gekauft. Es ist das klassische Deutsche Einheits-Chronometer, zeigt aber deutliche Spuren russischer Bauart. So ist das Federhaus wohl in der 1. Moskauer Uhrenfabrik erneuert worden und auch das Gang-Rad stammt offensichtlich nicht von Wempe in Hamburg.
Die „deutschen“ Kirows
Das erste große Kontingent an Einheits-Chronometern, das nach Moskau verbracht wurde, bestand aus 600 Chronometer-Rohwerken. Sie waren im Reichseigenen Lager der Deutschen Seewarte Gesundbrunnen beim Amtsgericht Lauenstein, nahe Dresden, eingelagert und galten als das „Vorratslager“ für den Fall, dass die Produktionsstätten in Hamburg und Glashütte durch Feindeinwirkung zerstört würden.
Wieviel Chronometer-Rohwerke Gerhard D. Wempe in das Lager der Deutschen Seewarte geliefert hat, ist nicht mehr feststellbar. Viele Unterlagen von Wempe sind im Krieg verbrannt bzw. in den Wirren der Nachkriegszeit vernichtet worden.
Die Unterlagen von A. Lange & Söhne sind nahezu vollständig erhalten. Sie liegen im Archiv des Deutschen Uhrenmuseum Glashütte und sind dort einsehbar.
Ich habe in: Altmeppen/Dittrich: „Das Deutsche Einheits-Chronometer“ die Einheits-Chronometer, die A. Lange & Söhne ausgeliefert hat, und alle Einheits-Chronometer aus der Kriegsproduktion von Wempe, über die es noch Unterlagen gibt, mit allen verfügbaren Details aufgelistet.
Das „Versandbuch-Original“ von Lange weist 70 Rohwerke aus, die an die Seewarte Gesundbrunnen und zusätzlich70 Rohwerke, die an das Reichseigene Lager bei der Seewarte geliefert wurden:
Empfänger: Seewarte Gesundbrunnen
- Serien-Nr.: 5291 bis 5310 am 15. März 1944
- Serien-Nr.: 5351 bis 5370 am 14. Dezember 1943
- Serien-Nr.: 5561 bis 5570 am 8. Dezember 1944
- Serien-Nr.: 5571 bis 5590 am 9. Januar 1945
Empfänger: Reichseigenes Lager bei der Seewarte Gesundbrunnen
- Serien-Nr.: 5311 bis 5320 am 8. Juni 1944
- Serien-Nr.: 5341 bis 5350 am 12. Juli 1944
- Serien-Nr.: 5421 bis 5430 am 3. August 1944
- Serien-Nr.: 5471 bis 5480 am 13. September 1944
- Serien-Nr.: 5511 bis 5520 am 7. November 1944
- Serien-Nr.: 5521 bis 5540 am 13. Oktober 1944
Es ist davon auszugehen, dass diese 140 Rohwerke zu dem Kontingent gehören, das im Sommer 1946 nach Moskau gebracht wurde.
Vergleichbare Hinweise von Wempe gibt es nicht. Aufgrund der Gesamtzahl von 600 Rohwerken, die in dem Schreiben vom 3. Oktober 1946 genannt wird, ist der Schluss zulässig, dass Gerhard D. Wempe mehr als 450 Rohwerke des Deutschen Einheits-Chronometers an die Deutsche Seewarte in Gesundbrunnen geschickt hat, die ebenfalls nach Moskau gebracht wurden.
Die 600 Chronometer-Rohwerke aus Lauenstein sind auf einigen Umwegen Ende 1945 in das des „НИИ ЧАСПРОМ“, das „Wissenschaftliche Forschungsinstitut für die Uhren-Industrie“ in Moskau gelangt und dort zu fertigen Chronometern vollendet und ausreguliert worden.
Das Chronometer mit der Signatur der 1. Moskauer Uhrenfabrik „1 МЧЗ“ und der Serien-Nummer „422“ gehört zu diesem Kontingent.
Das filigrane Design der Räder, das am Auf- und Abrad zu erkennen ist, zeigt, dass ein Roh-Werk von A. Lange & Söhne die Grundlage für das „Kirow_422“ ist.
Auf den folgenden Bildern ist am Beispiel der Auf- und Abräder von Wempe (1. Bild), Lange (2. Bild) und den späteren „Kirows“ (3. Bild) ein deutlicher Unterschied im Design zu erkennen:
Das „Kirow_422“ hat – im Unterschied zu späteren 6 MX – die klassische deutsche Grund-Substanz (s.: Wempe: DEC-Zeichnungen). Diese ist zu erkennen an:
- Position des „Pfeiler 39“
- Messing-Lager für das Sekunden-Rad und das Zwischen-Rad
- Form des unteren Unruh-Kloben
- Form des Gangfeder-Kloben
- Oberer Unruh-Kloben mit Schauloch
- Obere Platine mit drei kleinen Schaulöchern neben den Pfeiler-Schrauben
- Federhaus mit Deckel oben
- Untere Platine mit Bohrungen für Anker-Hemmung
- Zwischenbrücke mit Abschrägung für Anker-Hemmung
- Fräsung und Bohrungen für externes Zeigerstell-System in der unteren Platine und im Werkhaltering
Es zeigt aber schon eine russische Handschrift, die sich auch bei den späteren 6 MX findet. Diese ist an folgend aufgeführten Kriterien erkennbar.
Unruh
Eine der schwierigsten Aufgaben, die die russischen Experten schon kurz nach dem Krieg gelöst haben, waren Konstruktion und Bau einer eigenen Unruh. Die russische Unruh hat – im Unterschied zum DEC – keine Signatur.
Die Deutschen Einheits-Chronometer hatten - von wenigen Ausnahmen bei Wempe abgesehen - eine „Grießbach-Unruh“.
Diese waren von 1938 an auf der Oberseite eines Schenkels für den Unruhreif mit „RGG“ (Ruth Grießbach Glashütte) in einem gleichwinkligen Dreieck mit einem Stempel aus Nickel-Stahl von Häräus in Hanau gestempelt.
Nach einem Vermerk von Ruth Grießbach ist im September 1939 die rechte obere Ecke des Stempels ausgesprungen.
Die Einheits-Chronometer hatten also eine gestempelte Grießbach-Signatur mit der ausgesprungenen Ecke.
(Dieser Hinweis erscheint mir wichtig, um Fälschern das Handwerk zu legen, denn ich habe Fälschungen gesehen, um aus einem „Kirow“ ein Lange-Chronometer zu machen, die keine Grießbach-Signatur haben und solche bei denen das RGG-Zeichen auf primitive Art imitiert wurde.)
Zifferblatt
Die Beschriftung ist, wie nicht anders zu erwarten, kyrillisch mit der Kennung der 1. Moskauer Uhrenfabrik wie sie bis zur Umbenennung in „Poljot“ üblich war.
Die Anordnung der Zahlen ist wie beim deutschen Einheits-Chronometer. Die Ziffern haben jedoch eine andere Type als in Deutschland.
Ein klassisches Unterscheidungsmerkmal zwischen allen russischen 6 MX und den Einheits-Chronometern von Wempe und Lange ist die Verschraubung des Zifferblattes. Diese sind auf der Minuten-Einteilung:
Deutschland: 20 / 40 / 59
Russland: 19 / 39 / 59.
Der Unterschied bei den beiden abgebildeten „Kirows“ aus den Beständen der Deutschen Seewarte ist deutlich zu sehen. Das „Kirow_479“ hat die deutsche Verschraubung, das „Kirow_422“ die russische.
Brücken und Kloben
Beim „Kirow_422“ haben der obere Unruh-Kloben und die Federhaus-Brücke an ihrer Unterseite eine Ausfräsung, um sie beim Auseinanderbauen besser abheben zu können.
Das ist eine russische Modifikation. Diese Nut gibt es bei den deutschen Chronometern nicht. Die Ausfräsung ist deutlich zu sehen auf dem folgenden Bild eines russischen Gangfederkloben:
Schrauben
Die hohe Verarbeitungsqualität der russischen Schrauben ist ein Zeichen dafür, dass auch in der schwierigen Zeit kurz nach dem Krieg für die militärische Ausrüstung nichts zu teuer war.
Oberflächenverarbeitung
Die Oberflächen der Platinen, Brücken und Kloben des „Kirow_422“ sind körnig vergoldet.
Gehäusetopf
Bei den Chronometern aus Moskau sind der klassische Gehäusetopf und der Glasrand aus Messing und nicht - wie beim deutschen Einheits-Chronometer - aus „Buna“.
Kasten
Die russischen Kästen und Überkästen unterscheiden sich auch deutlich von den deutschen. Darauf gehe ich später ein.
Ob der Kasten für das „Kirow_422“ original ist, ist schwer zu beurteilen.
Ich habe dieses Chronometer von einem befreundeten Sammler, der es Anfang der 1990er Jahre gekauft hat. Damals wurden russische Chronometer auf den deutschen Märkten in großer Stückzahl angeboten.
In späteren Jahren habe ich eine größere Anzahl von Fälschungen gesehen, auf die ich später zurückkomme. Diese Fälschungen waren mehr oder weniger gut gemacht – auch die dazu gehörenden Kästen. Ich habe aber keine Fälschung gesehen, die einen simplen Sperrholz-Kasten hatte.
Der hölzerne Kasten für das „Kirow_422“ ist so außergewöhnlich, dass kein Fälscher es so machen würde. Es spricht einiges dafür, dass der abgebildete Kasten original ist und dieses Chronometer als Boden-Chronometer im Einsatz war.
Das „Kirow_479“ hat seinen Ursprung ebenfalls in den Roh-Werken aus Lauenstein.
Es hat ebenfalls ein Roh-Werk von A. Lange & Söhne, wie auch hier an dem Auf- und Abrad erkennbar ist.
Es unterscheidet sich aber in einigen Details vom „422“
- Das Zifferblatt stammt aus Deutschland, wie an der Verschraubung erkennbar ist
- Das Federhaus ist russisch, erkennbar daran, dass der Federhaus-Deckel unten ist.
- Das Schneckenfutter, mit dem Vierkant zum Aufziehen des Chronometers, hat eine Form, die ich nicht einordnen kann. Ich habe sie bisher nur bei diesem Chronometer gesehen.
- Die Gangfeder und der dazu gehörige Kloben, die beim „Kirow_422“ noch deutsch sind, sind beim „Kirow_479“ eine Neukonstruktion aus Moskau, die später bei allen „Kirows“ und „Poljots“ zu finden ist.
Sie unterscheiden sich deutlich von den „deutschen Eltern“.
Bei den in Moskau vorgenommenen Änderungen sind die bereits oben erwähnte Ausfräsung und die Abrundung des Gangfeder-Klobens zur Anpassung an die obere Platine technische Kleinigkeiten.
Eine wesentliche Änderung ist das Schiebefutter im Gangfeder-Kloben durch das mit einer Stellschraube die Gang-Feder und damit auch die Gold-Feder justiert werden können.
Der Kasten des „479“ ist Schweizer Bauart. Er unterscheidet sich deutlich von den Kästen der späteren 6 MX
Neben den 600 Rohwerken aus Lauenstein, den 297 Einheits-Chronometern aus den Reparationsleistungen von Lange führte der Weg des Deutschen Einheits-Chronometers zum russischen 6 MX auch von Glashütte und von Hamburg nach Moskau:
Die Zeichnungen, die bei A. Lange & Söhne in Glashütte lagen, waren der wesentliche Grundstock für die russischen Marine-Chronometer der Nachkriegszeit. Kurt Herkner schreibt in seinem Buch: „Glashütter Armbanduhren“ dazu:
„Zwischen 1946/47 bekam Glashütte Besuch aus Moskau, 2 Spezialisten und eine technisch spezialisierte Übersetzerin. Alle Zeichnungen des Marine-Chronometers mussten vorgelegt und die technischen Herstellungsanleitungen überarbeitet und in kyrillische Schrift übersetzt werden.
Aus dem Hause Lange wurden für diese Arbeiten 2 erfahrene Mitarbeiter abgestellt. …
Zur damaligen Zeit wurden noch die Einheitschronometer gefertigt, deshalb sind die Moskauer Chronometer mit 3 Pfeilern ausgerüstet, denn die Zeichnungen und Produktionshilfen aus Glashütte, als Reparationsleistungen, entsprechen diesem Typ.“
Während des Zweiten Weltkrieges geriet der Bedarf an Soldaten und der an Fachkräften für rüstungsrelevante Industriezweige zunehmend in Konflikt.
So stellte der „Arbeitsausschuss für Seechronometer und B-Uhren“ am 26. Oktober 1942 unter Ziffer „17. Sicherstellung von Arbeitskräften“ zu den Chronometer-Werken Wempe fest:
„Der allgemeine Personalbedarf betrug 5 deutsche Fachkräfte und 5 französische Uhrmacher, wodurch der durch Einberufung laufend erfolgende Entzug nicht gedeckt ist. Die Zuweisung von Feinmechanikern ist so gut wie ausgeschlossen. Diese Frage ist durch den Einsatz von kriegsgefangenen Russen gelöst worden. Von 35 Russen sind 25 produktiv tätig und 7 in Schulung befindlich.
Das Russenlager der Chronometerwerke ist als vorbildlich anerkannt. Die Russen haben durch die Ernennung von 2 Meistern eine Art Selbstverwaltung erhalten. Diese werden durch besonderes Essen vor den anderen ausgezeichnet.“
Gerhard D. Wempe hat dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte in der von Rolf Italiaander geschriebenen Familien-Chronik: „Bei Wempe gehen die Uhren anders, Chronik eines Familienunternehmens“ aufgearbeitet.
Dort findet sich u.a. ein als „Geheim“ eingestuftes Dokument über die Notunterkünfte der Chronometerwerke nach der „Operation Gomorrha“, der Bombardierung Hamburgs im Juli 1943.
Auf diesem Lageplan ist auch vermerkt, wieviel Männer (M.), Frauen (Fr.) und Russen (Russ.) in den verschiedenen Abteilungen gearbeitet haben, und wo das „Russenlager“ mit 46 Männern nachts und 2 Männern tags lag.